Diese Woche war geprägt von schweren Nachrichten aus der Politik. Es ist nicht zu erwarten, dass diese die Energiewende global und lokal vereinfachen werden.
Gerade deshalb beschreibe ich euch hier, wie wir – recht erfolgreich – versuchen in unserer Mehrfamilienhaus-Wohnsituation die Energiewende – sektorengekoppelt – hinzubekommen. Sektorengekoppelt deshalb, weil wir anstreben:
- den Strombedarf der 5 Wohneinheiten in 2 Gebäuden per PV zu decken,
- den Wärmebedarf der Gebäude mit Hilfe einer Wärmepumpe aus (PV-)Strom zu generieren,
- Mobilität elektrisch und mit geteilten Fahrzeugen hinzubekommen.
Wie alles begann
Auf dem Grundstück auf dem wir wohnen, stehen 2 getrennte Gebäude: Das Vorderhaus aus dem Jahr 1890, das Hinterhaus aus dem Jahr 1930. Beide Gebäude haben zwar eine Generalsanierung in den 80er Jahren erfahren, sind aber keineswegs auf aktuellem Stand was Wärmeisolierung etc. angeht. Trotzdem sind alle Wohnparteien bestrebt, die CO2 Emissionen nach Möglichkeit in allen Sektoren auf null zu reduzieren.
Schritt 1: Elektromobilität
Irgendwann haben wir verstanden, dass es unter Umweltgesichtspunkten eine ziemliche Katastrophe ist, mit unserem Dieselfahrzeug die Alltagsstrecken zurückzulegen.
Das hat den Weg frei gemacht, für die Anschaffung der ersten Renault Zoe. Ein Elektrofahrzeug bringt dann unmittelbar die Frage mit sich: wo laden? Da bei uns Stellplätze auf dem Grundstück vorhanden sind, konnten wir recht einfach eine Lademöglichkeit installieren.
Mit einer OpenWB Wallbox mit 2 separaten Ladepunkten, können zwei Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden. Wir haben bewusst auf OpenWB gesetzt, da diese sehr stark auf offene Schnittstellen setzt und damit möglichst gut mit Geräten (Wechselrichtern und co.) anderer Hersteller zusammenarbeiten kann. Da die PV Anlage erste einige Jahre später angeschafft wurde, hat sich diese Entscheidung in der Rückschau sehr bewährt.
Die zwei Ladepunkte werden mit RFID Chips freigeschaltet, die Abrechnung des Stroms kann so sehr einfach nach Fahrzeug / Wohnpartei passieren.
Für die CO2 Bilanz bedeutete das den Wegfall der aus der Verbrennung des Diesels entstehenden Emissionen. Nach der Umrechnungstabelle des Umweltbundesamtes bedeutet der Umstieg auf Elektromobilität allein für unser Fahrzeug eine Vermeidung von ca. 4,1 t CO2 pro Jahr.
Schritt 2: Heizen per Wärmepumpe
Im Herbst 2021 haben wir in der Eigentümergemeinschaft begonnen, uns damit zu beschäftigen, unsere Heizungsanlage ersetzen zu müssen. Für die 30 Jahre alte Gasheizung waren schlicht keine Ersatzteile mehr verfügbar. Über einige Schleifen sind wir bei einer Hybridanlage aus moderner Gastherme und Wärmepumpe gelandet. Bei Außentemperaturen von bisher bis -6 °C konnten wir seitdem völlig fossilfrei heizen. Eine detaillierte Projektbeschreibung dazu findet ihr hier.
Pro Heizperiode sparen wir so ca. 58.000 kWh Erdgas und die Emission von 11,5 t CO2 ein.
Schritt 3: gebäudeübergreifende PV
Im Frühjahr 2023 haben wir einen ersten Anlauf für die Installation einer PV Anlage gemacht. Die Angebote waren aber alle noch recht teuer und in der WEG war dafür kein Beschluss zu erwirken.
Mit den sehr positiven Erfahrungen damit die Gebäudeheizung komplett mit Hilfe der Wärmepumpe und damit über Strom zu bewerkstelligen stieg das Vertrauen aller Parteien in diese Technologien und in die Fortsetzung des Weges. Mit den fallenden PV Preisen zu Beginn des Jahres 2024 war dann der Moment gekommen, beide Häuser auf dem Grundstück mit Strom aus einer PV Anlage zu versorgen. In der jetzigen Ausbaustufe haben wir im Betriebskonzept der Selbstversorgergemeinschaft im August diesen Jahres 22 kWp auf dem Vorderhaus mit 14 kWh Speicher installiert. Möglich wäre in der Zukunft auch eine Erweiterung der Anlage um Flächen auf dem Hinterhaus.
Bisher haben wir nur die Daten aus den letzten drei Monaten zur Verfügung. Aber selbst im äußerst nebeligen Oktober haben wir mehr als 55% des von 5 Wohnparteien, Wärmepumpe und Wallbox verbrauchten Stroms selbst erzeugen können. Der Eigenverbrauchsanteil lag bei 95%. Im ebenfalls mit sehr wenig Sonne gesegneten November reicht es bisher immer noch für 25% Autarkie bei 100% Eigenverbrauch.
Es bleibt spannend, wie weit wir unseren Stromverbrauch über das Jahr aus der eigenen PV decken können.
Schritt 4: Energiemanagement
Aktuell arbeiten wir daran, die Nutzung des PV Stroms in den Gebäuden zu optimieren. Dazu verfolgen wir mehrere Ansätze:
Netzdienlichen Verbrauch fördern
Wir versuchen netzdienlichen Verbrauch zu fördern, indem wir in den Wohneinheiten über Walldisplays die wichtigen Info zu PV Leistung, Vorhersage und Speicherladestand, sowie die aktuellen Verbräuche darstellen. Dies soll insbesondere helfen, für hohe Verbräuche zu sensibilisieren und andererseits auch als Entscheidunshilfe dienen, wann Großverbraucher wie Wasch- oder Spülmaschine angestellt werden.
Wärmepumpe und Wallbox steuern
Andererseits versuchen wir in Zeiten hoher PV Stromproduktion auch die zentralen Verbräuche für Heizung, Warmwassser und eAuto Ladung passend zu steuern. Dazu folgen wir aktuell dem folgenden Schema:
- Im ersten Schritt wird der Hausspeicher mit dem PV Überschuss zu mindestens 30% geladen.
- Steht dann weiterhin genug Leistung (und vorhergesagte Leistung) zur Verfügung, startet bei vorhandenem Heizbetrieb eine Gebäudeüberheizung um 1,5°C indem die Vorlauftemperatur der Wärmepumpe erhöht wird.
- Steht währenddessen immer noch zusätzlicher Strom zur Verfügung, wird dieser über die OpenWB Wallbox in die angesteckten Fahrzeuge geladen.
- Erreicht trotz allem der Hausspeicher einen Ladestand von 80% (weil z.B. keine Fahrzeuge angesteckt sind) und steht immer noch PV Strom für die nächsten Stunden zur Verfügung, so wird eine Überheizung des Warmwasserspeichers (300 l) auf 65 °C gestartet.
Dieses Schema funktioniert aktuell recht gut, um allen PV Strom selber zu verbrauchen. Die Steuerung der Anlagenteile erfolgt dabei ausschließlich über Opensource Software (Homeassistant) und ist für Interessierte im Quelltext verfügbar.
Finanzielle Incentivierung
Am Ende war uns zusätzlich wichtig, dass sich die Änderung des eigenen Verhaltens auch finanziell auszahlt. Wir haben daher in der WEG beschlossen, alle Verbräuche von Wohneinheiten, Wallbox und Wärmepumpe viertelstundengenau zu erfassen. So können wir ermitteln, wer (pro Viertelstunde) welchen Anteil von PV Strom (0ct / kWh) und welchen Anteil Netzstrom (35ct / kWh) bezogen hat. Die Stromkosten pro Wohnpartei lassen sich so durch geschicktes Verbrauchen gezielt senken.
Fazit
Damit haben wir aktuell einen ganz guten Zwischenstand erreicht. Die nächsten Monate werden zeigen, ob wir bezüglich PV Leistung oder Speicherkapazität noch Bedarf für Nachbesserung feststellen werden.
Mein persönlicher Traum wäre es ja noch, Jahreszeiten übergreifend Strom in Form von Methanol o.ä. speichern zu können, um im Winter eine höhere Unabhängigkeit erreichen zu können. Das ist allerdings bisher aus Preisgründen noch in weiter Ferne. Es bleibt spannend….
Schreibe einen Kommentar