Wärmepumpe auch für unser Gebäude? – Mach den Test

Wärmepumpen funktionieren problemlos in Neubauten. Diese müssen schon per Gesetz gut gedämmt sein und haben üblicherweise eine Fußbodenheizung, so dass eine Beheizung des Gebäudes mit Wärmepumpen einfach ist.

Bei Bestandsgebäuden ist das komplizierter. Viel wurde darüber geschrieben, dass dafür eine Vollsanierung nötig ist, dass die Heizkosten danach explodieren oder wir alle nur noch frieren müssen.

Kurz gesagt, das ist schlichtweg Blödsinn. Es gibt viele bestehende Gebäude, die sich gut oder mit kleineren Sanierungen mit einer Wärmepumpe beheizen lassen. Dazu gibt es verschiedenen Untersuchungen, wie z.B. https://www.umweltbundesamt.de/themen/wie-waermepumpen-in-bestandsgebaeuden-effizienter

Anstatt jetzt auf solche Untersuchungen oder einzelne Meinungen zu vertrauen, könnt ihr recht einfach testen, ob sich euer Gebäude wirtschaftlich mit einer Wärmepumpe beheizen läßt.

Ein paar Grundbegriffe

Bevor wir ans konkrete Testen gehen, klären wir kurz einige einfache Grundbegriffe aus der Heizungstechnik, die wichtig zu verstehen sind.

Die meisten von uns wohnen in Gebäuden, die sogenannte wassergeführte Heizungen haben. Irgendwo im Gebäude wird mit Hilfe eines Wärmeerzeugers (Öl-, Gasbrenner) Wasser erwärmt und durch ein Leitungssystem in jeden einzelnen Raum gepumpt. Dort fließt das warme Wasser durch Heizkörper, die sich entsprechend erwärmen und die Wärme an die Raumluft abgeben. Das Wasser fließt anschließend abgekühlt aus dem Heizkörper zum Brenner zurück.

Vorlauftemperatur

Die Leitung, die vom Wärmeerzeuger zu den Heizkörpern führt, nennt man dabei den sogenannten Vorlauf. Durch diesen fließt das warme Wasser zu den Heizkörpern hin.

Und entsprechend – ihr ahnt es – heißt die Rückleitung von den Heizkörpern zum Wärmeerzeuger Rücklauf.

Die Temperatur, die das warme Wasser im Vorlauf hat, heißt Vorlauftemperatur. Sie liegt bei fossilen Heizungen im Altbau gerne mal über 60 °C

Rücklauf (links) und Vorlauf (rechts) mit eingebauten Thermometern

Heizkurve

Je kälter es außerhalb des Gebäudes ist, desto mehr Wärme ‚verliert‘ das Gebäude an die Umgebung. Wenn es drinnen trotzdem gleich warm bleiben soll, bleibt als einzige Möglichkeit, dem Gebäude mehr Wärme zuzuführen.

Das bedeutet jetzt, dass die Heizungsanlage bei -5 °C Außentemperatur mehr Wärme in das Gebäude befördern muss als bei +15 °C, damit die Räume innen immer auf 20 °C bleiben. Dazu verändert die Anlage selbstständig die Vorlauftemperatur. Sie misst die Außentemperatur und ermittelt daraus die nötige Vorlauftemperatur. So wählt die Anlage dann z.B. bei 10 °C Außentemperatur eine Vorlauftemperatur von 35 °C, bei -10 °C außen stattdessen eine Vorlauftemperatur von 60 °C.

Der Zusammenhang zwischen Außen- und Vorlauftemperatur ist dabei die sogenannte Heizkurve. Im folgenden Diagramm ist eine solche Heizkurve abgebildet, aus der sich für verschiedene Außentemperaturen die Vorlauftemperatur ablesen läßt.

Eine beispielhafte Heizkurve, die für jede Außen- eine Vorlauftemperatur festlegt

Die Heizungssysteme kennen dabei üblicherweise unterschiedliche steile Heizkurven von denen bei der Installation eine zur Gebäudecharakteristik passende ausgewählt wird.

Heizkurven Diagramm der Vaillant Heizung

Vorlauftemperatur bei Wärmepumpen

Wärmepumpen arbeiten wie ein umgekehrter Kühlschrank. Sie entnehmen der Außenluft Wärme und befördern diese ins Gebäude. Das können sie besonders effizient wenn die Vorlauftemperaturen nicht zu hoch sein müssen. Etwas vereinfacht läßt sich sagen, dass Vorlauftemperaturen von bis zu 55 °C gut machbar mit Wärmepumpen sind. Darüber werden sie ineffizient und benötigen zunehmend viel Strom.

Normaußentemperatur

Um jetzt abzuschätzen, ob sich euer Gebäude mit einer Wärmepumpe beheizen läßt, geht es also um die Frage, ob ihr mit Vorlauftemperaturen von bis zu 55 °C euer Gebäude immer warm bekommt. Das ‚immer‘ bringt uns jetzt zu der letzten wichtigen Größe. ‚Immer warm bekommen‘ bedeutet in Nordfriesland etwas völlig anderes als im Alpenvorland. Während im hohen Norden die Winter eher mild sind, können sie im Alpenvorland recht knackig kalt werden. Diese klimatischen Unterschiede werden über die Normaußentemperatur beschrieben. Etwas vereinfacht ist das die Temperatur, mit der ihr bei euch im Winter rechnen müßt und bei der eure Heizungsanlage euer Gebäude noch warm bekommen sollte. Die Normaußentemperatur für eure Region könnt ihr zum Beispiel hier nachschlagen: https://www.waermepumpe.de/normen-technik/klimakarte/

Temperaturverteilung in Konstanz, mit einer Normaußentemperatur von 9,4 °C

Der Test

Was ihr benötigt sind ein paar einfach Raumthermometer, mit denen ihr die Temperatur in verschiedenen Räumen messen könnt.

einfaches Raumthermometer

Im nächsten Schritt solltet ihr herausfinden, wo in den Einstellungen eurer Heizungsanlage ihr die Heizkurve einstellen könnt. Wenn ihr die Stelle gefunden habt, solltet ihr euch die aktuelle Einstellung notieren.

Hilfreich ist es außerdem, auch die üblicherweise vorhandenen Thermometer in Vor- und Rücklauf zu finden.

Testablauf

Ziel ist es jetzt herauszufinden, ob ihr die Vorlauftemperaturen auf < 55 °C reduzieren könnt und es im Gebäude trotzdem überall warm bleibt. Wenn euch das gelingt, habt ihr eine gute Chance, dass ihr mit einer Wärmepumpe heizen könnt.

Schritt 1: Nachtabsenkung abschalten

Der Test versucht die untere Grenze der Heizungsleistung zu finden, bei der das Gebäude noch warm genug bleibt. Eine Nachtabsenkung kann zwar Energie sparen, im Testkontext, würde sie aber zu ständig schwankenden Temperaturen führen, die die Ergebnisse stark verfälschen würden. Daher lasst die Heizung für den Test 24h im aktiven Tagmodus durchlaufen.

Schritt 2: Thermostate auf 3,5 (22 °C)

Damit ihr leichter seht, wie viel Spielraum ihr in den Einstellungen noch nach unten habt, stellt die Raumthermostate auf 3,5 oder 4, so dass die Räume für die Zeit des Tests auch über 20 °C warm werden können.

Schritt 3: Heizkurve / Vorlauftemperatur absenken

Stellt jetzt die Heizkurve ein gutes Stück niedriger ein. Wenn diese bisher z.B. auf 1.2 gestellt war, stellt sie ein gutes Stück herunter auf z.B. 1.0

Schritt 4: 24 Stunden warten und messen

Die Änderungen an der Heizkurve und damit der Vorlauftemperatur werden zwar unmittelbar wirksam, aber ein Gebäude hat eine hohe träge Masse. Die Auswirkungen der Änderung werden frühestens nach 12 eher nach 24 Stunden sichtbar.

Schritt 5: Ziel erreicht oder weiter absenken?

Fallen die Temperaturen in den Wohnräumen bereits unter 20 °C, so habt ihr bereits die untere Grenze unterschritten und müsst euch langsam in kleineren Schritten mit Heizkurve und Vorlauftemperaturen wieder nach oben bewegen, bis sicher 20 °C erreicht sind.

Falls alle Räume noch 20 °C oder darüber haben, könnt ihr zurück zu Schritt 3 gehen und die Heizkurve weiter absenken.

Protokollieren

Was ihr auf jeden Fall während des Tests tun solltet, ist die folgenden Daten täglich zu protokollieren:

Datum, eingestellte Heizkurve, abgelesene Vorlauftemperatur, Außentemperatur, Wohnraumtemperatur

Auswerten

Wenn ihr den Punkt erreicht habt an dem die Wohnräume noch gerade so 20 °C haben, versucht diesen Zustand einige Tage zu halten, um das Verhalten bei verschiedenen Außentemperaturen zu beobachten und zu protokollieren.

Falls ihr von eurer Heizung ein Heizkurven Diagramm wie oben habt, könnt ihr jetzt aus der im Test ermittelten niedrigsten Heizkurve die Vorlauftemperaturen ablesen, die die Heizung in der Nähe der Normaußentemperatur produzieren würde.

Falls ihr ein solches nicht habt, könnt ihr aus euren Meßwerten von Außentemperatur und Vorlauftemperatur selbst eine solches erzeugen und in erster Näherung eine Gerade durch die gemessenen Punkte legen, die ihr bis zur Normaußentemperatur verlängert.

Best Case

Wird die Vorlauftemperatur von 55 °C auch bei Normaßentemperatur nicht überschritten, habt ihr sehr gute Chancen, dass ihr gut per Wärmepumpe heizen könnt.

Wird die Vorlauftemperatur von 55 °C ein paar Grad oberhalb der Normaußentemperatur erreicht, könnt ihr vermutlich mit Zusatzheizstab und eventuell dem Tausch einiger Heizkörper ebenfalls per Wärmepumpe heizen.

Worst Case

Braucht ihr in der Nähe der Normaußentemperatur Vorlauftemperaturgen von 60 °C oder mehr, kommt ihr vermutlich nicht um einen oder mehrere Sanierungsschritte vor dem Einsatz einer Wärmepumpe herum. Mit Hilfe eines motivierten Energieberaters könnt ihr die Maßnahme mit dem besten Kosten / Nutzen Verhältnis aussuchen.

Fazit

Dieser einfache Test soll euch eine Indikation geben, wie einfach oder schwierig die Beheizung eures Gebäudes mit einer Wärmepumpe wäre. Das Ergebnis ist natürlich keine Garantie, dass das am Ende auch klappt und ihr solltet euch mit der Energieberater:in oder dem Heizungsfachbetrieb eures Vertrauens dazu austauschen bevor ihr Entscheidungen trefft.

Ich freue mich über Kommentare, wenn ihr den Test erfolgreich oder nicht erfolgreich gemacht habt. Oder wenn ihr noch Verbesserungsvorschläge habt!

Kommentare

2 Antworten zu „Wärmepumpe auch für unser Gebäude? – Mach den Test“

  1. Moin Christoph,
    prima Beschreibung!
    Wir machen mit der Hybridisierung von Heizungsanlagen weiter, und ich hoffe, dass wir uns in dem Zuge mal sehen.
    Lieben Gruß aus dem Zug zur Chillventa Messe in Nürnberg
    Dirk

    1. Hallo Dirk, hört sich gut an, beides!! 🙂
      Viele Grüße aus dem Süden, Christoph

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